Was ist Barock?

Wolfgang Sofsky

Was ist Barock?

Die prägende Kunst des Barockstils (1600-1770) ist die Architektur. Deren wesentliche Merkmale sind bewegte, kraftvolle und plastische Formen. Bevorzugt werden oft geschwungene Linien, nicht zuletzt im Grundriß, und komplexe Raumkompositionen, die, wie im Falle des „radikalen Barock“ in Böhmen, mit bloßem Auge kaum zu ermitteln sind. Bewegung wird durch konkav und konvex geschwungene Bauelemente erzeugt. Haupträume wie die Vierung in den Kirchen werden oft durch Kuppeln hervorgehoben. Die Lichtregie erhält ein eigenes Gewicht. Sie dient nicht nur der Beleuchtung, sondern unterstützt nicht selten die kolossale Ordnung und die Tendenz ins Unendliche. Malerei, Stuck und Skuplturen werden in die Architektur zu einem „Gesamtkunstwerk“ zusammengefügt. Sowohl in der sakralen als auch in der Herrschaftsarchitektur der Stadtpaläste und Schlösser gilt der Prinzip einer theatralischen Inszenierung. Barockarchitektur erschafft eine eigene Welt, die prachtvoll ausgestattet ist durch wertvolle Materialien wie polierter oder imitierter Marmor, Gold und Silber bei Stuck und Altären. Kartuschen, Voluten, gesprengte Giebel oder konvexe Pilaster verwandeln bereits die architektonische Form in Schmuck. Lichtreflexe werden durch raffinierte Fensteröffnungen oder, wie in den Schlössern, durch Spiegel und spiegelndes Parkett erzeugt. Während die Kunst der Renaissance bestimmt war durch das Ideal der Schönheit, so gilt im Barock das Ideal der Erhabenheit und der unendlichen, sinnlichen Phantasie.