Cortona: SS. Luca e Martina – gestreckter Zentralbau

Wolfgang Sofsky

Cortona: SS. Luca e Martina – gestreckter Zentralbau

Direkt neben der Curia Iulia auf dem Forum Romanum steht die von Pietro da Cortona 1640 bis 1650 errichtete Kirche Santi Luca e Martina. Cortona konzipierte keinen Längsbau, sondern einen geringfügig gelängten Zentralbau. Zentralbauten können bekanntlich über einem Kreis, einem Oval, einem Dreieck, einem Oktogon oder einen griechischen Kreuz erbaut werden. Ihnen fehlt die eindeutige Richtung zu einem Altar. Daher waren sie in der christlichen Baugeschichte vornehmlich für kleinere Tauf- oder Grabkirchen reserviert, obwohl die Renaissance sie als Inbegriff idealer Architektur verstanden hatte. Eine Prozession kann zwar den Mittelpunkt umkreisen oder sich unter dem Kuppelhimmel versammeln, aber es entsteht keine Gemeinschaft von Priester und Laien, von Predigt, Liturgie und serieller Masse der Gläubigen. Cortona hat ein griechisches Kreuz gewählt, jedoch die Seitenarme etwas verkürzt, die Apsiden abgeflacht und die Hauptrichtung etwas gestreckt, so daß sie unmerklich überwiegt. Insgesamt erscheint der Raum wie eine Einheit, ohne Ablenkung oder Abzweigung. Es fehlen farbliche Unterschiede und malerisches Dekor. Die Formen der Architektur treten rein als solche zutage. Rundum gliedern ionische Rundsäulen die Wand. Zwischen den Säulen springt die Wand  vor oder weicht zurück. Die Apsiden sind von Halbkuppeln überwölbt, die

zentrale Kuppel wird von gewaltigen Vierungspfeilern getragen, die von Pilastern und Säulen gegliedert ist. Ein Muster von sternenähnlichen Kassetten wird hinter den Rippen sichtbar. Das Modell der Kassetten stammt aus dem antiken Pantheon, das Rippengewölbe erinnert an den Petersdom. Außen zeigt die Fassade in einer konvexen Kurvatur die Eingangsapsis dahinter an. Es ist die erste römische Fassade, die kurvig geschwungen ist.