Annibale Carracci: Quo Vadis?

Wolfgang Sofsky

Annibale Carracci: Quo Vadis?

Nach der Enthüllung der Fresken der Galleria Farnese 1601 erhielt Carracci von Kardinal Aldobrandini, dem Neffen des Papstes, den Auftrag für das Andachtsbild. Es zeigt Apostel Petrus bei der Begegnung mit Christus auf der Via Appia. Der Apostel floh vor der Verfolgung, doch dann erschien ihm Christus mit dem Kreuz. „Domine, quo vadis?, fragte er ihn, und Christus antwortete, er ginge in die ewige Stadt, um sich erneut ans Kreuz schlagen zu lassen. Darob packte Petrus die Scham vor seiner Feigheit, er kehrte um, um sich dem Martyrium zu stellen. Er forderte nur, um nicht mit dem Herrn gleichgestellt zu werden, mit dem Kopf nach unten gekreuzigt zu werden. Trotz seines kleinen Formats, es mißt 77 mal 56 Zentimeter, wirken die Bildfiguren geradezu monumental. Christus Arm ist muskelbepackt, ebenso seine Oberschenkel. Er wirkt wie ein Athlet des Glaubens. Petrus, die Schlüssel an der Seite, erschrickt vor der Erscheinung und vor seiner Ängstlichkeit. Sein Blick ist erstarrt, die Knie eingeknickt, die aufgerissenen Hände scheinen die Erscheinung abwehren zu wollen. Denn Christus fordert ihn auf, ihm nachzufolgen, ihm in den Tod zu folgen. Carracci hat den gemischten Affekt des Erschreckens, der Angst und Scham der Figur getreulich ins Gesicht und in die Haltung geschrieben. Als Nachfolger Raffaels wies er dem frühen Barock eine idealisierte Weise der Affektdarstellung, fern der dunklen Dramatisierung Caravaggios. Spricht nicht das Gesicht Jesu von einer erneuten Enttäuschung, ja Trauer des Herrn über den angstvollen Apostel, der ihn seinerzeit schon einmal verleugnet hatte. Noch einmal muß er ihn daran erinnern, was zu tun ist.