Georges de la Tour: Kerzenlicht

Georges de la Tour: Kerzenlicht

Gemäß der „Legenda Aurea“ verbrachte Maria Magdalena ihre letzten dreißig Jahre als Büßerin in einer Höhle in Südfrankreich. Im Barock gab dieses vielfach dargestellte Motiv Anlaß für eine Meditation über die Vergänglichkeit der Existenz. Die reuige Sünderin grübelt über einem Totenkopf nicht nur ihren erotischen Sünden nach, sondern auch ihrer Endlichkeit. Diese geradezu hamlethafte Szenerie hat Georges de la Tour mehrfach ins Bild gesetzt. Immer sitzt die Denkerin an einem Tisch und wird von einer Kerze beleuchtet. Während Caravaggio die Lichtquelle meist außerhalb des Bildraums im Unsichtbaren verschwinden ließ und den Lichtstrahl auf einen Punkt lenkte, zeigt de la Tour die künstliche Lichtquelle im Bild, während die Umgebung in Dunkelheit versinkt. Eine Kerze oder Fackel erhellt die zentrale Gestalt ohne die Dramatik des gebündelten Leuchtlichts. Manchmal schirmt auch eine Hand die Kerze ab, sodaß der Handrücken wie ein finsteres Schemen erscheint, dahinter jedoch erscheint es blendhell. Anstelle der Hand kann auch der Totenkopf die Lichtquelle verdecken, wie in der Version in der Washingtoner National Gallery. Das Problem, daß Fackel oder Kerze in der Regel nur einen kleinen Umkreis beleuchten können, löst der Maler dadurch, daß er die Lichtquellen entweder unnatürlich groß zeigt oder das Licht durch einen Reflex verdoppelt oder vervielfacht. Das sinnfälligste Beispiel für Reflexlicht ist natürlich der Spiegel. Die Kerze, die sich im Spiegel verdoppelt, erhöht auch die Lichtwirkung. Diese Lösung zeigt die Version im Metropolitan Museum of Art in New York.