Oval

Wolfgang Sofsky

Oval

Mit Ovalen wurde nicht erst seit dem frühen Barock gebaut. Viele römische Amphitheater haben einen ovalen Grundriß. Auch gotische Bauwerke weisen mitunter solche Elemente auf. Zur Palladio-Tradition gehört das Motiv des ovalen Grundrisses. Im römischen Barock bediente man sich mit Vorliebe des Ovals, um Längsbau und Zentralbau, Kreis und Rechteck, Mittelpunkt und Richtung zu vermitteln. Vignola konzipierte ovale Grundrisse und Kuppeln. In S. Andrea (1550) wird ein rechteckiger Raum von einer ovalen Kuppel überwölbt, in S. Anna dei Palafrenieri (1572) wurde der ganze Raum oval. Vignolas Schüler, Francesco da Volterra, Vitozzi und Mascherino, entwarfen ovale Kirchen. In Rom ist das bedeutendste Beispiel der frühen Phase S. Giacomo degli Incurabili, von Volterra 1592 begonnen und von Maderno 1595-1600 beendet. Borromini stattete S.Carlo mit ovaler Mitte und ovaler Kuppel aus. In Deutschland und Böhmen folgten viele Gebäude dem ovalen Muster: die Hofkirche zu Dresden, der Festsaal der Weimarer Wilhelmsburg, die Bibliothek in Wolfenbüttel und die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar, viele böhmische Barockkirchen, nicht zuletzt die Kirchen Balthasar Neumanns.

Das Längsoval ist eine der barocken Grundformen. Es verbindet Bewegung und Konzentration, Linie und Kreis. Ein Queroval, parallel zur Fassade ist eher ungewöhnlich, denn es verkürzt den Weg zum Altar an der Gegenwand erheblich. 1652 begann Carlo Rainaldi mit der Kirche S.Agnese an der Piazza Navona, vollendet wurde sie von Borromini. Der Innenraum besteht aus einem zentralen Quadrat, dessen Ecken zu kleinen Nischen ausgebildet sind und dessen Seiten sich gegen vier

kurze Kreuzarme öffnen. Im Westen und Osten dienen sie als Vorraum bzw. Chor, im Süden und Norden sind sie zu halbrunden Apsiden vertieft. Insgesamt vermittelt der Raum den Eindruck eines Ovals, dessen Längsachse parallel zur Fassade verläuft und dessen Umriß von einzelnen Mauerteilen aufgelockert wird. In Berninis römischer Ovalkirche S. Andrea al Quirinale durchschneidet eine Art Längsachse das Queroval und trifft an den Seiten auf solide Pilaster. Der kurze Hauptweg vom Eingang zum Altar wird rechts und links von zwei ausstrahlenden „Sternen“ begleitet. Doch alle Aufmerksamkeit konzentriert sich auf die Figur des hl. Andreas über dem Altar in der Öffnung des Ziergiebels, der gerade hinauf in die Himmelskuppel entschwebt.  

Geometrisch ist das Oval eine zweiachsig symmetrische, stetig gekurvte Figur. Im Gegensatz zum Kreis, dem jede Richtung fehlt, ist das Oval axial ausgerichtet. Konstruiert wird das Oval aus vier Kreissegmenten mit vier verschiedenen Mittelpunkten. Diese Zirkeleinstichpunkte lassen sich zu einer Raute verbinden. Die Kreissegmente, die einander gegenüberliegen, sind jeweils spiegelbildlich gleich. Auf der Schmalseite ist die Grundform ein kleinerer Kreis und auf der Längsseite ein größerer. Mit der Hilsfigur der Raute ist auch das jeweilige Oval festgelegt.

Mit einer Ellipse ist das Oval keineswegs zu verwechseln. Eine Ellipse weist zwei Brennpunkte auf, deren deren Abstand die Form der Ellipse bestimmt. Der Ellipsenumriß ist niemals, wie beim Oval, ein Kreissegment und kann auf dem Reißbrett nicht mit Zirkelschlägen, sondern nur Punkt für Punkt konstruiert werden. Ellipsen finden sich in der gebauten Barockarchitektur nicht. Nur in der Gartenkunst gibt es die „Gärtnerellipse“, wo bei Beeten mittels zweier Pflöcke, die an den „Brennpunkten“ eingeschlagen werden, eine lockere Verbindung mit einer Schnur in einem Schwung zu umreißen ist.